Im Fokus: Der Millereffekt
- Elektronik-Minikurse: Inhaltsverzeichnis WICHTIG: Diverse technische Infos
- Elektronik-Minikurse: Philosophie (Sinn, Vorwissen, Praxisbezug)
- Hilfe bei Leserfragen. (WICHTIG: Unbedingt zur Kenntnis nehmen!)
- Simulieren und Experimentieren, ein Vorwort von Jochen Zilg
- Autor: Thomas Schaerer Opamp-Buch Timer555-Buch
Im Fokus ist eine neue
Elektronik-Minikurs-Idee. Es geht darum ein Thema in den Raum zu
stellen, das von allgemeinem Fachinteresse ist. Dieses Thema wird so
weit wie nötig erklärt. Oft bietet Wikipedia eine hervorragende
einführende Erklärung. Danach werden Elektronik-Grundlagen- und
Elektronik-Minikurse vorgestellt, wo das Thema in praktischer Form
präsentiert wird. Diesmal geht es um das Thema Millereffekt.
"Als Millereffekt wird die effektive Vergrösserung
der parasitären Kapazität zwischen Ausgang und invertierendem Eingang
eines Spannungsverstärkers bezeichnet. Dieser Effekt ist meist störend,
kann aber auch zum Erzeugen grösserer effektiver Kapazitätswerte
vorteilhaft verwendet werden. Der Effekt ist nach John Milton Miller
benannt, der ihn 1919 entdeckt hat. Eine Verallgemeinerung des
Millereffekt ist das
Millertheorem."
Soviel zur Einleitung aus dem
Wikipedia.
Praxisorientiert erklärt ist der Millereffekt im Elektronik-Minikurs
Millereffekt (Miller-Kapazität) in weiteren Elektronik-Minikursen
- Vom Logikpegelwandler zum Impulsgenerator (Endstufe)
- TTL-CMOS-Converter
Man beachte speziell das Kapitel "Millereffekt"! - Schalten und Steuern mit Transistoren I
Nur einen kleinen Beitrag zum Millereffekt im Kapitel "Schalten mit komplementärer Darlington-Schaltung".
Wir experimentieren mit dem Millereffekt...
Es geht um einfache Experimente, die leicht realisierbar sind. Eine LED, das Versuchsobjekt, Transistor und zwei Widerstände mit einem Kondensator im Prinzip genügen bereits. Warum "im Prinzip" werden wir noch sehen. Wir kommen zu Bild 1:
Wir beginnen mit einer einfachen und praxisbezogenen Kurzbeschreibung
aus der Webseite
Die gute Frage:
Die Miller-Kapazität wirkt als Gegenkopplung auf den steuernden Eingang,
also getrieben von der (hohen) Spannungsänderung am Drain (oder
Kollektor). Damit ist das tatsächliche "Durchschalten" nun stark
abhängig, wie dieser Gegenkopplungs-Stromanteil von der
Ansteuerschaltung beherrscht werden kann.
(Basis-Link von
Die gute Frage.)
Teilbild 1.1: Wie kommt es eigentlich zur scheinbaren
(virtuellen) Kapazität Cx (hier dargestellt in einer Wolke) die deutlich
höher sein kann als die echte Kapazität zwischen Kollektor und Basis Cm0
(m = Miller). Genau das geschieht nicht, wenn Ua dem GND-Pegel
entspricht. Siehe punktierte Linie zwischen Ua und GND.
Anstelle von GND kann es auch eine konstante Spannung sein. Die ganz
normale exponentielle Lade-/Entladecharakteristik einer RC-Schaltung
bleibt sich gleich. Nämlich alleine gegeben durch Rb und Cm0. Die reale
Kapazität von Cm0 liegt im unteren pf-Bereich. Beim
BC547
sind es typisch 3.5 pF.
Teilbild 1.2: Ua ist frei, also arbeitet der Transistor T als
invertierender Verstärker. Während Ue steigt, bleibt Ua nicht konstant.
Ua sinkt mit der Funktion der invertierenden Verstärkung. Es fliesst ein
zunehmender Kollektor-Emitter-Strom. Die Spannung über Cm0, bzw. der
Cm0-Ladestrom sinkt. Dadurch verlängert sich die Ladezeit. Es wirkt die
scheinbare höhere Kapazität Cx. Die Spannungsverstärkung und die
Gegenkopplung macht aus Cm0 ein Cx mit einer scheinbar höheren
Kapazität. Dies hat zu Folge, dass die Schaltung an Geschwindigkeit
einbüsst. Eine schnelle Spannungsflanke an Ue erzeugt an Ua eine
deutlich langsamere Flanke, wenn denn überhaupt noch eine Flanke
erkennbar ist. Das ist dann noch abhängig von der Frequenz.
Um beim Schalten des Transistors die Flankensteilheit zu
verbessern, schaltet man parallel zum Widerstand Rb ein
Kondensator. Dazu liest man mehr im Kapitel
"Schneller Schalter mit NPN-Transistor" im Elektronik-Minikurs:
Schalten und Steuern mit
Transistoren II: Der Sättigungs- und der Millereffekt!.
Teilbild 1.3: Hier beabsichtigt man das Gegenteil. Anstelle der
Kompensation der Miller-Kapazität Cm0, unterstützt man diese mit einem
zu Cm0 parallel geschalteten Kondensator Cm mit viel höherer Kapazität.
Damit erreicht man ein langsames Ansteigen und Senken von Ua. Allerdings
ist die Anstiegs- und Senkzeit keineswegs identisch, wie noch gezeigt
wird. Wir kommen zu Bild 2 mit dem Einsatz eines NPN-Darlington oder
geeigneter mit einem MOSFET.
Die Schaltung mit nur einem Transistor in Teilbild 2.1 (1.3) eignet sich nicht für das Experiment, weil nur ein Transistor ein zu grosser Basisstrom benötigt. Dies erschwert die Vergrösserung der Millerkapazität, die es benötigt zu einem eindrücklichen Experiment. Die Problemlösung bietet die Schaltung in Teilbild 2.2 mit einer Darlingtonstufe, bestehend aus zwei NPN-Transistoren des Typs BC547, BC550 oder ein anderer Typ mit ähnlichen Parametern. Anstelle dieser beiden Transistoren eignet sich ebenso gut z.B. der integrierte NPN-Darlington BC517. In Teilbild 2.3 kommt ein MOSFET, der BS170, zum Einsatz. Diese Schaltung, weil rein spannungsgesteuert mit einem extrem hohen Eingangswiderstand, eignet sich am Besten für das folgende Experiment in Bild 3 und einer nützlichen Anwendung in Bild 4.
Das Experiment: Der Millereffekt ist speziell dann geeignet,
wenn man eine langsam steigende Spannung benötigt. Die Präzision hält
sich allerdings in gewissen Grenzen (Linearität). Will man gleichzeitig
eine steigende und eine fallende Spannung, geht dies mit einem
zusätzlichen Inverter mittels eines Opamp. Die digitale Lösung mit
Counter, DA-Wandler und Glättungsfilter bietet für hohe Präzision ein
besseres Resultat. Aber das ist hier nicht das Thema.
Die Schaltung in Teilbild 3.1, entspricht der Schaltung in Teilbild 2.3.
Die R2*Cm-Zeitkonstante beträgt eine Sekunde, durch den extern
zugeschalteten Kondensator Cm mit einer Kapazität von 1 µF und dem
Widerstand R2 mit 1 M-Ohm. Ich habe im Experiment einen
Keramik-Kondensator (Abkz. Kerko) eingesetzt, wegen dem hohen
dielektrischen Isolations-Widerstand. Man kann diesbezüglich auch einen
Papierwickel-Kondensator einsetzen, mit eher noch höherem
Isolations-Widerstand. Diese sind jedoch relativ gross und für diese
Anwendung auch übertrieben. Ein Elko oder hier auch ein Tantal-Elko
eignet sich selbstverständlich nicht.
Die gewohnte RC-Lade- und Entladekurve wird linear, verursacht durch die
Spannungsgegenkopplung. Der Nachteil dieser Schaltung ist, dass der
Lade- und der Entladeverlauf nicht einfach symmetrisch ist. Hier stellt
sich diese Symmetrie ein, wenn die Spannung Utp am Trimmpoti TP auf 4.7
VDC eingestellt ist. Siehe Diagramm 3.3. Das funktioniert mit der
vorliegenden Schaltung nur für kurze Zeiten im unteren Sekundenbereich.
Hier sind es 5 Sekunden. Eine Anpassung zu längeren Zeiten sind möglich,
durch Erhöhung der Kapazität Cm oder/und durch einen höheren Widerstand
R2.
Wenn die Symmetrie eine wichtige Rolle spielt, dann käme eine andere
Schaltung, nach dem Prinzip eines
Dreieckgenerators
in Frage. Auf diese Weise hat man allerdings keine
Kapazitäts-Multplikation und dies bedeutet, dass man für lange Zeiten
eine grosse Kapazität, zum ebenfalls hohen Widerstand, einsetzen muss.
Diagramm 3.2 zeigt zwei Beispiele. Mit Utp = 3.0 VDC erreicht man eine
linear ansteigende Spannung während der Dauer von 20 Sekunden bis zur
Endspannung von Ua = 10 V. Für einen deutlich länger andauernden
Spannungsanstieg von etwa 3 Minuten, muss man Utp auf 2.5 VDC
einstellen. Die Endspannung Ua liegt dann bei 7 V.
Ua ist sie Spannung über R3. Die Bezeichnung Ua, weil diese Spannung als
Ausgang zu den Messungen dient (Bild 4). Übrigens auch ohne Messung,
alleine das Beobachten wie extrem langsam die LED dunkler wird, wenn der
Schalter S von LH (+15V) auf LD (GND) geschaltet wird, beeindruckt. Dies
genügt eigentlich schon, wenn man einfach nur zeigen will, wie wirksam
der Millereffekt sein kann schon beim Einsatz einer RC-Schaltung mit
einer Zeitkonstante von nur einer Sekunde.
Das gezeichnete Messinstrument hat nur einen symbolischen Charakter. Man
sollte ein aktives Multimeter mit hochohmigen Eingangswiderstand
einsetzen. Zum Beobachten der Linearität eignet sich ein (digitales)
Speicher-Osilloskop. Diese Eingänge haben in der Regel einen
Eingangswiderstand von 1 M-Ohm. Genügt das nicht, einfach eine kleine
Impedanzwandler-Schaltung mit einem Opamp dazwischen schalten.
Messtechnik: Eine langsam bis sehr langsam steigende oder
sinkende DC-Spannung eignet sich zum Testen einer elektronischen
Schaltung, die in einem kleinen Bereich der Eingangsspannung instabil
ist, z.B. unerwünscht oszilliert. Dies hilft unter Umständen mit die
Störung zu analysieren. Dazu muss man die Schaltung in
Bild 3
erweitern, damit Ua auf GND bezogen ist, wie dies hier Bild 4 mit zwei
Opamps zeigt.
Bild 4 unterscheidet sich von Bild 3, dass mittels Schalter S gewählt
werden kann, ob die DC-Spannung Ua steigt, stoppt oder sinkt. Dazu
benötigt man ebenfalls einen Schalter mit dem man zwischen LH und LD
umschaltet, jedoch mit einer Mittelstellung, wo beide Kontakte offen
sind. Diese Position ist mit ST (Stop) gekennzeichnet. Man glaubt es
nicht, es ist aber tatsächlich so, dass bei Stop die Spannung Ua stoppt
und unverändert den momentanen DC-Spannungswert konstant hält und dies
locker während 30 Minuten oder mehr. Geprüft auf einem
Steckboard.
Solche Schalter gibt es unter den
Minikippschalter.
Die Miller-Schaltung mit dem MOSFET T1 invertiert die Eingangsspannung
Ue. Dies alleine eignet sich für die vorliegende messtechnische
Anwendung nicht. Besser ist es, dass Ua zu steigen beginnt, wenn an Ue
die positive Spannung anliegt oder umgekehrt. Dafür sorgt nach dem
Impedanzwandler IC:A der Inverter mit IC:B. Dafür eignet der
CMOS-Dual-Opmp
TLC272.
Da die Schaltung mit mit 12 VDC betrieben wird, eignet sich die
Opamp-Familie in CMOS-Technologie mit einer maximal zulässigen
Betriebsspannung von 16 VDC bestens. Für eine höhere Betriebsspannung
käme vielleicht der
LM358
(BJT) in Frage. Dies habe ich jedoch nicht getestet.
Nochmals_zusammengefasst: Opamp IC:A arbeitet als Impedanzwandler
mit Verstärkung 1. Damit wird die Schaltung mit dem Millereffekt nicht
beeinflusst, weil der CMOS-Eingang extrem hochohmig ist. Opamp IC:B
arbeitet mit Verstärkung -1 als Inverter. Damit wird die Invertierung
mit T1 (BS170) für den Ausgang Ua neutralisiert.
Mit Trimmpot TP2 muss man die Spannung Ua auf den GND-Pegel justieren,
wenn mit Stellung LD beim Schalter S Ua die minimale Spannung anzeigt,
aber noch nicht dem GND-Pegel entspricht.
Rechts in Bild 4 zeigt Diagramm 4.2 ein Anstieg von Ua beim LH-Kontakt
(Schalter S), dann wird Schalter S auf ST (Stop) gestellt. Ua liegt auf
einer konstanten Spannung. Nachfolgend liegt Schalter S wieder in
Kontakt mit LH und Ua steigt bis zum maximalen Pegel. Diagramme 4.3 und
4.4 sind damit ebenso klar zu verstehen, LD-->ST-->LD oder LH-->ST-->LD.
Thomas Schaerer, 08.11.2020